Das NS-Massaker auf der Hebalm

Im April 1945 töteten die Nazis 18 Menschen in einem Bombenkrater auf der Hebalm. Einer von ihnen war der angesehene Arzt Ludwig Mooslechner.

“Meine liebe Dory! (…) Ich bete zu Gott und hoffe, daß alles halbwegs gut ausgeht. Ich habe schon Schreckliches mitgemacht (…) Gott sei Dank ist das Verhör bei der Gestapo vorbei. Es ist nicht zu schildern, was man hier mitmacht. Man hat mir das linke Trommelfell eingeschlagen, so daß ich dermalen taub bin. Ich bitte Dich, sage es niemandem. Es ist einfach entsetzlich. Für heute, Gründonnerstag, küsse ich Dich und unsere Kindlein herzlichst. In der Hoffnung auf ein Wiedersehen Euer Euch innigst liebender Vater.” Diese Zeilen schrieb der Schwanberger Arzt Ludwig Mooslechner am 29. März 1945. Wenige Tage später war sein grausames Schicksal besiegelt. Sein Brief ist eines von wenigen Dokumenten über jenes NS-Verbrechen, das am 10. April 1945 auf der steirischen Hebalm geschah. Es waren die letzten Wochen vor dem Kriegsende. Das Nazi-Regime ging mit ungebrochener Härte und Brutalität gegen all jene vor, die sich ihm nicht unterwerfen wollten. Doch es regte sich immer stärkerer Widerstand gegen die Diktatur. Allen voran die Freiheitskämpfer, die sich in den südweststeirischen Bergen und Wäldern versteckt hielten. Am 15. März 1945 nahmen die dramatischen Ereignisse ihren Lauf. An diesem Tag traf der Gendarm Karl Klug vom Posten Trahütten in Aichegg auf den holländischen Freiheitskämpfer Gerhard Doorn. Dieser ließ sich zuerst abführen, zog aber kurz darauf einen Revolver, tötete Klug und flüchtete. Nach dieser Tat schrie der gefürchtete NS-Kreisleiter Hugo Suette nach erbarmungsloser Vergeltung. Mit Verstärkung der SS und des Volkssturm durchstreifte die Gendarmerie die Gegend. Das Suchkommando fand Doorn gemeinsam mit zwei Frauen und einem Mann in der Amtmannkeusche, wie Christian Fleck in seinem Buch “Koralmpartisanen” schreibt. Man brachte sie nach Schwanberg ins Gasthaus Stelzer zum Verhör. Dort versuchte man sie mit brutalen Methoden zu Geständnissen zu zwingen. Dabei wurden letztlich mehr als zehn weitere Schwanberger belastet. Wie im Buch “Zeitzeugen” von Herbert Blatnik nachzulesen ist, waren darunter etwa der Postzusteller Anton Stieber, seine Frau und zwei seiner Kinder, sowie der in ihrem Haus wohnhafte Friseurgehilfe Hans Turkitsch. Man warf ihnen vor, einen ihrer Söhne zuhause zu verstecken, der nicht mehr für Hitler in den Krieg ziehen wollte. Weiters der Bergarbeiter Anton Krainer und seine Frau. Sie waren Pächter jenes Bauernhofes in dem sich Gerhard Doorn und seine Geliebte Maria Masser, eine in Schwanberg tätige Haushälterin, versteckt hielten. Den Radiotechniker Franc Kozina, beschuldigte man einen Peilsender zu betreiben.  Weiters wurden die Erntearbeiterin Johanna Blasnik aus Trifail, der französische Zwangsarbeiter Pierre R. und ein Ferdinand K. beschuldigt mit den Partisanen zu sympatisieren. Dem Arzt Ludwig Mooslechner warf man vor, die Freiheitskämpfer mit Medikamenten, Informationen und Lebensmitteln zu unterstützen. Bereits 1938 hatte man den gebürtigen Oberösterreicher aus politischen Gründen am LKH Graz entlassen. Seine antinazistische und christlichsoziale Gesinnung war allgemein bekannt. Im September 1944 verhaftete man ihn erstmals wegen Wehrkraftzersetzung und Feindbegünstigung. Damals kam er aus gesundheitlichen Gründen wieder frei. Doch dismal gab es kein Entrinnen mehr. In den frühen Morgenstunden des 10. April 1945 wurden Mooslechner und die anderen gefesselt und in einen LKW gepfercht. Dann fuhr der Transporter vom Deutschlandsberger Amtsgericht ab. Im Reichsarbeitsdienstlager (RAD) in St. Oswald bei Freiland machte man Halt. Der dortige Lagerführer Friedrich Scholler bekam von Suette den Befehl, alle Gefangenen zu erschießen. Die RAD-Leute, mehrere SS-Leute und Gestapo-Beamte brachten die Todgeweihten an die östliche Grenze der Hebalm. Am Rand eines Bombentrichters im Leitnerwald, südlich der heutigen Hebalmstraße, mussten sie sich aufstellen. Danach schoss man ihnen mit Maschinenpistolen ins Genick. Ein französischer Gefangener entkam diesem grauenvollen Massaker. Völlig entkräftet und nur halb bekleidet schaffte er es bis zu einem Partisanenversteck, wo er von dem schrecklichen Geschehen berichtete. Dory Mooslechner musste mit ihren Kindern zu einem Bauern ins Gebirge fliehen, da Kreisleiter Suette drohte, die ganze Familie auszurotten. Einen Monat später endete der Zweite Weltkrieg und mit ihm die Herrschaft der Nationalsozialisten. Danach ließ man die Leichen auf der Hebalm exhumieren und nach Deutschlandsberg bringen. Noch heute erinnert am Stadtfriedhof ein Grabstein an die Opfer der Hebalm-Morde. Dory Mooslechner erhielt den Brief ihres Mannes erst drei Jahre nach dessen Tod. Der Bauer, der half, ihn aus dem Deutschlandsberger Gefängnis zu schmuggeln, hatte ihn aus Angst so lange zurückbehalten. 

Zusatzinfo:

Der vollständige Abschiedsbrief von Ludwig Mooslechner findet sich im Buch “Wenn einmal die Saat aufgegangen…” Letzte Briefe steirischer Widerstandskämpferinnen und –kämpfer aus Todeszelle und Konzentrationslager” von Heimo Halbrainer.